Arbeitsmarkt: Arbeitsmarktpolitik

Arbeitsmarkt: Arbeitsmarktpolitik
Arbeitsmarkt: Arbeitsmarktpolitik
 
Die hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland gilt als zentrale Herausforderung für die Wirtschaftspolitik. Daher kommt der Arbeitsmarktpolitik eine große Bedeutung zu; im engeren Sinne werden unter diesem Begriff die Programme zusammengefasst, die etwa durch die Bundesanstalt für Arbeit zur Wiedereingliederung von Arbeitslosen in das Berufsleben durchgeführt werden. Im weiteren Sinne bezeichnet Arbeitsmarktpolitik aber alle Ansätze, die zur Beseitigung der grundlegenden Ursachen des Beschäftigungsproblems angeraten erscheinen. Träger der Arbeitsmarktpolitik im weiteren Sinne sind damit neben der Bundesanstalt für Arbeit auch Bund, Länder und in zunehmendem Maße die Europäische Union (EU). Die Gebietskörperschaften haben mit ihrer Gesetzgebungskompetenz eine hohe Verantwortung für die Ausgestaltung der Arbeitsmärkte. Die Europäische Zentralbank (EZB) kann mit ihrer vorrangigen Verpflichtung auf das Ziel der Preisniveaustabilität nur sehr eingeschränkt als beschäftigungspolitischer Akteur betrachtet werden. Demgegenüber kommt den Tarifparteien mit ihrer Verantwortung für die Lohnpolitik eine bedeutsame Rolle zu.
 
 Die Therapie ist abhängig von der Diagnose
 
Bei der Festlegung einer arbeitsmarktpolitischen Therapie kommt es zunächst auf die Diagnose an. Ist die Unterbeschäftigung vor allem konjunkturell bedingt, dann könnten nachfrageorientierte Maßnahmen der Geld- und Fiskalpolitik empfehlenswert sein. Vorherrschend ist allerdings heute die Meinung, dass die Arbeitslosigkeit in Deutschland vor allem durch strukturelle Faktoren bedingt ist, sodass nachfrageorientierte Maßnahmen wenig Erfolgsaussichten haben. Zur Überwindung der strukturellen Arbeitslosigkeit bieten sich folgende Ansatzpunkte.
 
 Arbeitsmarktinstitutionen
 
Im Hinblick auf den deutschen Arbeitsmarkt kann nur sehr bedingt von einem Markt im Sinn der vollständigen Konkurrenz die Rede sein. Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften handeln Flächentarifverträge aus, die für die Mitglieder in den jeweiligen Regionen verbindlich sind. Hier wird teilweise eine Abkehr von Flächentarifverträgen zugunsten betriebsindividueller Vereinbarungen empfohlen, um die spezifische Situation einzelner Unternehmen bei der Lohnfestsetzung stärker zu berücksichtigen. Zu den umstrittenen Arbeitsmarktinstitutionen zählen auch die gesetzlichen Regelungen zum Kündigungsschutz. Ein ausgeprägter Kündigungsschutz kann Arbeitslosigkeit verursachen, weil der Kündigungsschutz den Arbeitgeber bei einer nur temporären Verbesserung der Unternehmenssituation zu einer Zurückhaltung bei Neueinstellungen veranlasst.
 
 Lohnpolitik und Lohnnebenkosten
 
Steigerungen der Arbeitskosten, die über den Anstieg der Arbeitsproduktivität hinausgehen, führen dazu, dass Arbeit stärker durch Kapital substituiert wird (Rationalisierung). Vor diesem Hintergrund mahnt etwa der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung immer wieder eine produktivitätsorientierte Lohnpolitik an. Um in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit einen Beitrag zur Erhöhung der Beschäftigung zu leisten, muss der Anstieg der Löhne sogar unterhalb der Zunahme der Arbeitsproduktivität liegen. Neben der allgemeinen Lohnhöhe kommt es auch auf eine ausreichende Differenzierung an, um etwa gering qualifizierten Arbeitnehmern die Chance auf eine Anstellung zu bieten. Der Gesetzgeber, der auf dem Gebiet der Sozialversicherungen die Höhe der Lohnnebenkosten maßgeblich mitbestimmt, muss durch Reformen der Sozialversicherungen diese Kostenkomponenten möglichst reduzieren.
 
 
Intensiv wird die Verkürzung der Wochen- oder Lebensarbeitszeit als Mittel der Arbeitsmarktpolitik diskutiert. Die Beurteilung fällt allerdings differenziert aus. Zum einen führt eine Arbeitszeitverkürzung mit einem auch nur teilweisen Lohnausgleich zu einer Abkehr von der produktivitätsorientierten Lohnpolitik und verschärft damit das Ausgangsproblem weiter. Zum anderen ist eine zwangsweise Verkürzung der Arbeitszeit als reine Mangelverwaltung kritisch zu beurteilen. Positiv beurteilen Arbeitsmarktökonomen hingegen den Übergang zu einer Differenzierung der Arbeitszeit gemäß den Präferenzen der Arbeitnehmer.
 
 
In einem Hochlohnland wie Deutschland spielt die Qualifikation der Arbeitnehmer eine große Rolle. Empirisch zeigt sich zudem, dass gerade gering Qualifizierte von Arbeitslosigkeit besonders betroffen sind. Hier liegt eine Aufgabe der Bildungspolitik, aber auch der Arbeitsmarktpolitik im engeren Sinne vor. Besondere Programme etwa zur Förderung von Langzeitarbeitslosen oder Arbeitssuchenden ohne Ausbildung können hilfreich zur Verringerung des Mismatch sein. Mit Mismatch ist gemeint, dass die Qualifikationen der Arbeitssuchenden nicht mit den von den Arbeitgebern nachgefragten Kenntnissen übereinstimmen.

Universal-Lexikon. 2012.

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